Friday, July 11, 2008

kurze geschichte der zeit pt.4

von Karl Napp:

Immer dieser blöde Traum. Kein Mensch latscht aus Versehen über eine Autobahn und wird überfahren. Zumindest hört man selten von sowas. Das liegt an den Büchern die du so liest, und an den Filmen die du so guckst, hatte Andrea mal zu ihm gesagt, als er ihr von seinen wiederkehrenden Phantasien erzählte. Ja klar, die Medien sind an allem Schuld - auch irgendwie beruhigend.

Die Party war längst vorbei. Er erwachte auf einer verranzten Couch, die hier wer abgestellt hatte. Sowas gehört ja dazu. Ein illegaler Club ohne Couches - neverever. Ein DJ übte vor leerer Tanzfläche seine Skills. Er nahm vereinzelt die Schemen anderer Zurückgebliebener in den Ecken und auf dem Boden wahr, wie immer gab es auch eines, das direkt vor eine der Boxen gelehnt eingeschlafen war. An der improvisierten Theke standen sogar noch zwei und schienen sich zu unterhalten. Bestimmt redeten sie abwechselnd jeweils über sich selbst.

Er ging die Treppe hoch. Irgendwo musste hier diese rostige Metalltür sein, die Ein- und Ausgang war. Sie stand offen, und ließ etwas von der gleißenden Mittagssonne in das Erdgeschoß, das mal eine Fabrikhalle oder so was war hinein. Er machte ein Foto mit seinem Mobiltelefon.

-Bild-

Draussen saßen vereinzelt Menschengruppen herum. Das war der zweite Eindruck. Der erste waren die angenehm heißen Sonnenstrahlen auf der Haut und das Blenden des Sonnenlichts. Das ist immer das Schönste. Aus einem dunklen schäbigen Raum in einen wie gemalt erscheinenden Sommertag zu treten. Wenn man für einen Moment gar nicht anders kann, als alles andere zu ignorieren, selbst wenn man nicht allein ist.

-Hey, willste ne Kippe?

Das Mädchen - die kenn ich doch - saß mit einem, nun ja, idealtypischen Punker auf der Verladerampe des Gebäudes, das früher mal eine Fabrik oder so was war.

Der Punker reichte ihm Tabak und Papers.

-Geht nicht bald dein Flug?

Ach ja, der Flug. Er hatte gestern bei ihr im Flughafen ein Last-Minute-Ticket gekauft, bevor sie ihn mit hierher nahm.

-Weißt du noch wann genau?

Sie lachte.

-Glaubst du im Ernst, ich kann mich daran erinnern, was ich außerhalb meines Lebens so mache?

Glaubt er nicht, hätte aber doch sein können.

Er muss verstört gewirkt haben. Der Punk reicht ihm wohlwollend ein Bier, das er um die Situation zu überspielen umständlich aus dem mitgebrachten Sixpack wühlte. -Hier, nimm erst ma n Bier.

-Danke. Ich muss dann glaub ich auch erst mal zum Flughafen.

-Wir nehmen in ner halben Stunde die S-Bahn, kannst ja mitkommen. Sagte der Punker.
...

Er blickte auf den Kontoauszug. Knapp im Minus. Er stand mit dem Punker in der Flughafenhalle. Das Mädchen war weg, nach Grunewald, zu ihren Eltern.

-Wo fliegst du hin?

Er kramte das Ticket aus seiner Hosentasche, sah aber nicht drauf. Man kann nicht vor sich selbst weglaufen - das hatte er mal gelesen.

-Nirgendwohin.

Er steckte dem Punker das Ticket in die Innentasche seiner Lederjacke und ging einfach weg.

Und nun?

0 Comments:

Post a Comment

<< Home