Friday, April 24, 2009

für Yasemine

oder: warum ich den jungle mag:

"Auf der anderen Seite wäre darüber zu diskutieren, was es mit einer ätzenden Ideologiekritik auf sich haben soll, die in letzter Zeit häufig gefordert wurde. Sie nimmt für sich in Anspruch, schonungslose Polemik zu betreiben, und reproduziert doch nur einen Manichäismus, der für abwägende, differenzierende Reflexionen keinen Platz lässt. Diese Art der Polemik ist somit meist eine Verfallsform kritischen Denkens und keineswegs erkenntnisfördernde Ideologiekritik. Es ist keine Polemik im Sinne von Karl Kraus, sondern persönliche Denunziation, die mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung nichts zu tun hat. Meist ist diese ohnehin nicht gewollt. Dies würde nämlich voraussetzen, die anderen Diskutanten, ihre unterschiedlichen Meinungen ernst zu nehmen, was nicht heißt, in eine beliebige Meinungsvielfalt ohne Wahrheitsanspruch zu verfallen. Es bedeutet aber, die Prämissen für eine Diskussion zu akzeptieren und Ambivalenzen in der eigenen Überzeugung sowohl zuzulassen als auch deutlich zu machen. Es heißt außerdem, den rigorosen Dogmatismus hinter sich zu lassen, der mit einem emphatischen Wahrheitsanspruch verwechselt wird. Darin steckt ohnehin eine schlechte linke Tradition, nämlich ein eklatanter Mangel an Selbstironie und eine bestürzende Humorlosigkeit.

Nicht jeder Teilnehmer einer Friedens­demons­tration ist antisemitisch, und nicht jedes Mitglied von Attac reproduziert den strukturellen Antisemitismus. Um dies zur Kenntnis zu nehmen, müsste man sich auf Diskussionen einlassen. Es wird jedoch kein Streit gesucht. Es werden Veranstaltungen organi­siert, auf denen einem erzählt wird, was man eigentlich schon vorher wusste (»Preaching to the Converted«) und was sich gut in das lieb gewonnene Interpretationsschema einfügt. Der Erkenntnisgewinn derartiger Veranstaltungen ist, vorsichtig formuliert, gering.

Die Denunziation abweichender Überzeugungen und die ideologiekritisch rationalisier­te Arroganz haben ferner etwas Antiliberales und typisch Deutsches. Daran zeigt sich, dass es in Deutschland keine erfolgreiche bürgerliche Revolution gegeben hat, die eine zivilisierte Streitkultur hervorgebracht hätte. Problematisch wird es, wenn man ständig auf die Linke eindrischt mit dem Argument, man wolle Leute aus deren Fängen befreien. Es sollte ­einen irgendwann zum Nachdenken bringen, dass die Leute, die angeblich aufgeklärt werden sollen, sich nicht im geringsten dafür interessieren, was man macht. Und dies meist zu Recht. Wenn es einem mit dem hehren Anspruch ernst wäre, müsste man sich nämlich auf Kontroversen einlassen. Stattdessen wird die Phraseologie perfektioniert. Dies trägt offene Züge von Propaganda." (link)

np: die beste band der welt - bitte bitte (feat. teresa orlowski)

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