Tuesday, March 20, 2007

biologische antibiologistik II

Beruhigend für die Schwanzträger unseres Autorenkollektivs, die allesamt mit dem Orientierungssinn einer knieenden Ameise ausgestattet sind ("Und wieder finden wir widersprüchliche Ergebnisse dahingehend, ob bei Männern die Hirnhälften asymmetrischer arbeiten als bei Frauen oder nicht. Die Varianz der Ergebnisse beruht nicht zuletzt darauf, dass sich die Raumorientierung aus einer Vielzahl von Strategien zusammen setzt, die erlernt werden.") ist dieser lesenswerte Beitrag von Sigrid Schmitz als Einführung zu Gehirn und Geschlecht (via) und medialer Reproduktion von anachronistischen Denkmustern. (Wir planen übrigens grade einen Sammelband mit dem Titel: Warum Männer nicht gebären können und Frauen schlecht beim Stehpinkeln (oder beim Cumshot - fetter, eh?) sind.)

Erstaunlich finden wir (btw) diese Erklärung:

"Unter dem Begriff des »Embodiment« verstehe ich die Konstituierung des individuellen Körpers, seiner Strukturen und Funktionen in einem Netzwerk gesellschaftlicher und kultureller Praxen.(5) Denn dem Körper werden nicht nur geschlechtliche Bedeutungen zugeschrieben, er wird in seiner Materialität selber durch geschlechtlich geprägte Erfahrungen geformt, und die Wahrnehmung dieses Körpers beeinflusst umgekehrt wiederum Denken und Handeln. Damit sind Sex und Gender, Körper und Kultur, untrennbar miteinander verwoben. Sie bedingen und beeinflussen sich gegenseitig und unterliegen beständig wechselseitigen Veränderungsprozessen. Wenn wir den Begriff des Embodiment in seiner radikalen Bedeutung auf die Einschreibung von Erfahrungen in die Materialität des Körpers anwenden, kann eine Brücke zwischen den kulturellen Konstruktionen und den Konstituierungen der Körperrealitäten von Geschlecht geschlagen werden, ohne einseitige Ursachenzuweisungen vorzunehmen.

5) Ich verwende den Begriff »Embodiment« explizit in Bezug auf körperliche Materialität mit Referenz auf Anne Fausto Sterling’s Eingangskapitel "Dueling Dualisms", vgl. dies. (2000): Sexing the Body. Basic Books: N.Y., S. 1-29. In der Genderforschung wird »Embodiment« jedoch auch anders verwendet, beispielsweise in Zusammenhang mit der Wahrnehmung von und Bedeutungszuschreibung an Körperlichkeit."

Oder diese:

"Selbst innerhalb der Neurowissenschaften zeigt die Plastizitätsforschung inzwischen, wie dynamisch sich unser Gehirn beständig an Erfahrungen anpasst. Netzwerke aus Nervenzellen und Synapsen im Gehirn, und hier insbesondere in der Hirnrinde (Cortex) werden stabilisiert, ab- und umgebaut, immer abhängig von den eingehenden Umweltinformationen und den individuellen Verarbeitungsprozessen. Nerven-Netzwerke »erlernen« wiederholte Muster an Informationen und bilden sie in der körperlichen Materie des Gehirns ab. Erkennen, Entscheiden, Denken und Verhaltensregulation erfolgen im Gehirn dann durch selektive Aktivierung solcher Netzwerke. Der Cortex ist also weder in seiner Verschaltung noch in seinen Aktivierungsmustern von vornherein festgelegt. Statt dessen verändert sich seine Materialität beständig in der eigenen Entwicklung in Auseinandersetzung mit bestimmten sozialen und kulturellen Bedingungen. Dies erklärt möglicherweise die Vielfalt von Hirnstrukturen und Funktionen bei verschiedenen Personen (interindividuelle Variabilität) und deren Veränderungen im Verlauf des Lebens (intraindividuelle Variabilität)."

Sind wir doch bisher davon ausgegangen, dass diese Gemeinplätze die Prämisse für jede Beschäftigung mit dem Themenkomplex Hirn sind.


np: ars moriendi - live at maschinenfest 2002

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