Tuesday, November 28, 2006

freiheit und andersdenkende

oder: Gedanken über eine Fäkalphilosophie.

Ich bin ja im Moment auf nem sehr merkwürdigen Trip. Irgend sone Mischung aus öko-libertär und nicht-mobgesteuertem Anarchismus, während die herrschende deutsche Politprominenz den Leuten endlich das soziale an der Konstruktion Staat (denn dafür ist der ja eigentlich, bürgerlich gesehen, nicht gedacht) ausreden will. *Die Rente und so Kram stellt in Zukunft nur noch eine Armutssicherung dar, das müssen wir den jungen Menschen klarmachen.* Nicht, dass ich jetzt den *Rheinischen Kapitalismus* als eine große Errungenschaft ansehen würde, aber Fressen ohne allzu offensichtliche Prostitution (vor nicht gar so langer Zeit nannte man das noch Selbstverwirklichung durch Lohnarbeit, wohl um assoziationsfreudige 68er zu integrieren) sollte doch drin sein, eh?

Vielleicht würde eine regelmäßige Dosis EXtase meiner Systemtoleranz zuträglich sein, denn, na logen hier ein Klassiker, alle Lust will Ewigkeit. (Mal sehen, ob oder wann noizzemusic sublimationsfähig wird, mit Punk und Hip Hop und Kritischer Theorie hat das ja auch ziemlich gut funktioniert.)


np: imminent starvation - nord

Sunday, November 26, 2006

andacht

oder: Gemeinplätze für sonntägliches sinnieren.

Es gibt Dinge, die ich gedanklich nicht nachvollziehen kann. Religion zum Beispiel. Areligiös erzogen, entzieht sich mir das Verständnis für das, was man gemeinhin Spiritualität nennt. Ich verstehe es einfach nicht. Gut, auch ich habe *Glaubensgrundsätze*, ich favorisiere das *Meaning* gegenüber dem *Word*, ich glaube daran, das Alles relativ ist, ich glaube, eine andere Welt ist möglich, da denkbar (nicht im Antiimp-Jargon gemeint) - in Zeiten der prosperierenden Restauration, der Herrschaft des Orthodoxen und dem *Kampf der Kulturen* (der S. Huntington wird hierbei für etwas missbraucht, was er so nie geäussert hat, btw. (muss man noch darauf hinweisen, dass Civilizations nicht das deutsche meaning von Kultur sondern das von Zivilisation meint, was ich nachfolgend als *große Kulturen* bezeichne?), keine einfache Sache, werden doch Religionen heute als etwas gehandelt, auf das es zu beziehen sich gilt. ( - Alberne grammatikalische Konstruktion, ich weiss. - )

Die, die wir heute Weltreligionen nennen entstanden historisch beim Übergang von der Subsistenzwirtschaft zu einer Wirtschaftsweise, in der die Überschüsse der Nahrungsmittelproduzenten so groß wurden, das sich signifikante Klassengegensätze herausbilden konnten. Man findet solche Art Religionen in allen sog. Kulturen - und das ist ein entscheidender Punkt, erst durch die Freisetzung von Arbeitskraft, die der unmittelbaren (kulturelle ist in diesem Sinne mittelbare) Reproduktion dient, wird so etwas möglich, was wir heute gemeinhin unter Kultur verstehen. Das dabei, so wie die ganze Sache heute (und damals) geregelt ist ein großer Teil der Leute zu den Gearschten gehört, führte über frühe Egalitarismusprojekte zum Kommunismus (auch Marx war Materialist, er wurde nicht erleuchtet, sondern entwickelte vorhandenes weiter). Darum finden sich im Urchristentum Elemente, die aus heutiger Sicht durchaus progressiv sind, progressiver jedenfalls als irgendwelche Tempelreligionen - wobei über subversive Elemente in untergegangenen (*großen*) Kulturen ja kaum Fakten vorliegen, man aber davon ausgehen kann, dass es sie gab. Das die Bibel so gesehen ein (Kritik an der sich formierenden Gesellschaftsform formulierendes?) Buch voller Metaphern ist, bedarf eigentlich keiner Erklärung. Dies soll jetzt nicht Naturreligionen diffamieren, die sind mir sogar sympathischer, die Sonne als Quelle des Lebens zu betrachten spiegelt ein realistisches Weltbild, btw.

Dieser Bruch zwischen Produzenten und Bevorteilten der Wirtschaftsordnung, der wohl nichts grundsätzlich Neues war (hier ein Traktat über Macht und Herrschaft einfügen, Machiavelli vielleicht), aber doch eine neue Qualität darstellte, wird seitdem permanent modernisiert. Waren für Marx und Engels noch die Sklaven gegenüber den Lohnarbeitern die Privilegierteren (da der *Herr* das Überleben zu sichern hatte, was bei Unvernutzbarkeit den Wiederverkaufswert erhöhte), beziehen aktuell die Gewerkschaften für die Lohnarbeit und gegen das sich noch viel freier fühlen dürfende Prekariat Stellung.

So weit, so schlecht. Den Satz, *Muss ja*, den man jedem Lohnarbeiter nach zwei Minuten entlocken kann, nehm ich als Moment der Reflexion, der Selbstobjektivierung - ob sich dem die Frage, *Warum eigentlich?* anschliesst, sei dahingestellt...


np: radiohead - creep

Tuesday, November 21, 2006

communism reloaded

Ein junger Mensch nimmt sich und anderen das Leben. Die Herrschaft schwangt zwischen Reaktion (i.S.V. reaktionär; was nicht passt, wird nicht passend gemacht, sondern verboten) und Sublimation.

Telepolis veröffentlicht den Abschiedsbrief.

Man könnte einiges an diesem letzten Statement hinterfragen oder kritisieren - drauf geschissen.


np: The Prodigy - Hot Ride

Sunday, November 19, 2006

Neoexistenzialismus IV - Ratio

*die subversion findet statt, wenn die situation nicht revolutionär ist*:

Da ich gerade total auf Agnoli flashe, sei hier jedem an Sophisterei und Subversion interessierter Agnoli hören empfohlen.


np: spillsburry - raus


Update: Wer keine Lust hat, sich alles anzuhören, oder wem schlicht die zeitlichen Ressourcen fehlen - Kapitel 12, in dem es um die *toten Hunde der Philosophie* Spinoza, Marx und Hegel geht, und um die Multitudo und Kapitel 15, *Subversion auf deutsch* sollte man sich nicht entgehen lassen.

Und für Fans des gedruckten Wortes gibt es das ganze auch in Buchform (maybe bei ça ira).

Saturday, November 18, 2006

soll und haben

die welt ist nicht in schwarz und weiss einzuteilen, sondern in falsch und richtig:

Wie der Hamburger Verfassungsschutz feststellte, (S.158f.), versucht die Marxistische Gruppe (MG/Gegenstandpunkt) Rekruten zu indoktrinieren - von Scientology lernen heisst siegen lernen. Die Methoden sind verblüffend ähnlich, die Aufnahmegebühr Verhandlungssache.

*Sie (die MG - d.V.) erhebt Anspruch auf ein Erkenntnismonopol in politischen Fragen. Bei ihren Veranstaltungen existiert daher keine demokratische Diskussionskultur. Die Sichtweise der Gruppe wird vielmehr im Verkündungsstil bekannt gegeben. Dabei wird auch nicht ansatzweise um Problemlösungen gerungen. Kritische Einwände werden entweder ignoriert oder zerredet. Diese Taktik, die auf der Negation alles Bestehenden beruht, folgt dem angestrebten nihilistischen Etappenziel, erst einmal alle vorhandenen Strukturen und Werte der demokratischen Gesellschaft zu zerstören (Was ja erstmal nicht das Schlechteste ist - d.V.). Die MG trifft keine Aussagen darüber, welche Gesellschaftsform sie bevorzugen würde.*

*Gruppengehorsam, Konspiration und abgeschottete Wohnverhältnisse gehören ebenso zu den Merkmalen der Organisation wie berufliche „Seilschaften“. Die fest eingebundenen MG-Angehörigen streben gut dotierte gesellschaftliche Einflusspositionen in Wirtschaft und öffentlichem Dienst an.* - oder sind die doch nur eine gewöhnliche Burschenschaft?

Ganz dogmatisch-*orthodox* marxistisch-leninistisch verlagert man das Paradies in eine noch zu erringende bessere Welt, in der weder der verlängerte Arm des Kapitals, der Staat, der einen nicht ranlässt, herrscht, noch der Mob (?), sondern nur noch, ja wer eigentlich - die dummen Anarchisten mit ihrer Herrschaftsfreiheitsideologie sind ja auch doof, nicht so auf Linie und so - vielleicht der allwissende Planer, der meine individuellen Präferenzen, die aber in Echt nur das kapitalistische System hervorgebracht haben kann, kennt.

Aber wo sie richtig liegen: *Die Zwischenüberschrift „Der Ruf nach besserer Politik ist verkehrt“ unterstreicht die prinzipielle Gegnerschaft der MG zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland.*

Für Kritik am demokratischen Staat reicht es aber eigentlich, Johannes Agnoli zu lesen...


btw: Irma Vep ist auch nen cooler Film. Ein imdb-Rezensent schrieb: *Without spoiling the end of the film: the last five minutes of Irma Vep is totally unique. You will never see another film which ends like this one. I can only describe it as a profoundly futile gesture, an act of great passion and impotence, and a brilliant moment in Lettrist art. It is Rene Vidal's last stand, a terrible but beautiful moment caught on celluloid: the work of a madman? a savant? a genius? you can decide, but I am sure you will agree that Irma Vep does a lot more than just scratch the surface of modern film art.* - wegen mir hätten die letzten fünf Minuten ruhig ne Stunde sein können, allein dafür lohnt es sich, sich den Film zu besorgen.


np: fanny - Revelry & Decadence As The Right Of Slaves

Monday, November 13, 2006

la haine

It´s a kind of a drag but it pays the rent.

Das der Gus van Saint einer der *Guten* ist, weiss eh jeder, trotzdem sei hier nochmal auf *Drugstore Cowboy* (User Comments: Excellent story of a junkie who tries to straighten out his life, only to find out that things aren't much better than they were before.) hingewiesen. Was mich zur Kritik an der Konstruktion einer Kulturindustrie bringt. Es gibt gewiss mehr sehenswerte Filme und mehr hörenswerte Musik als man konsumieren kann, zum Auffinden der dem individuellen Geschmack entsprechenden Produktionen sind die ihren Lebensunterhalt aus Lizenzverkäufen bestreitenden Figuren nur bedingt hilfreich, weswegen die Mehrzahl von denen niemand braucht.

Naja, vielleicht ist das jetzt ein etwas undifferenziertes Urteil...


np: meira asher & guy harries - infantry

Saturday, November 11, 2006

ich und rammstein

aus gegebenem Anlass:

Heute gibts um null Uhr auf pro7 eine Reportage über *Deutschlands umstrittenste Band* Rammstein. Da ich grad gar keinen Bock auf mittelmäßige Kleinstadtpachties hab, wird das wohl mein Samstagabendprogramm werden.

Das erste Mal sah ich Rammstein als Vorband von Project Pitchfork (1995 oda so), als die ihr bis dahin schlechtestes Album *Alpha Omega* präsentierten. Das war schön, ehrlich gesagt muss man sich von Rammstein auch nicht mehr als die (freudsche) *Herzeleid* geben, der Rest ist (bis auf einige ästhetisch ansprechende Videos)... lassen wir das.

Das zweite Mal sah ich Rammstein auf der Herzeleid-Tour, da waren sie dann schon die Newcomer der Saison, und beendete danach eine (zu diesem Zeitpunkt schon überlebte) Beziehung.

Wie auch immer man den Erfolg dieser Combo bewerten mag, gegen die reflexhaft agierende Anti-Rammstein-Klientel werd ich diese Band immer verteidigen.


np: rammstein - links zwo drei vier

Sunday, November 05, 2006

ich will kuchen!

Sofia Coppolas *Marie Antoinette* wäre an mir glatt in der Kategorie absolut uninteressant vorbeigegangen, nach der Lektüre von R. Suchslands Besprechung hab ich den Film mal auf meine to-watch-Liste gesetzt.



Warum? *Marie Antoinette suchte das Glück. Und indem sie der Film auf ihrer Suche begleitet, wird er zum Gegenentwurf zu unserer Zeit, jedenfalls zu dem derzeit herrschenden neopuritanischen Arbeitsethos und Bescheidenheitsfundamentalismus. "Marie Antoinette" ist ein Lob des Müßiggang, der Unordnung, des Langschlafens, des Herumliegenlassens - eine Verteidigung des Hedonismus, die sich in unsere Gegenwart leicht übertragen läßt: Ein Loblied auf die Gelassenheit und das "Unverkrampfte" (Roman Herzog), auf Skepsis, auf eine unaufgeregte libertäre Grundhaltung, die den Geist liberaler Toleranz, des Lebens und Leben-Lassens atmet, der unbedingten Freiheit:

"I'm young and I love to be young
I'm free and I love to be free
To live my life the way I want,
To say and do whatever I please.
Lesley Gore, "You Don't Own Me"

Denn was bedeutet Glück? Konsum, unter anderem. Ungehemmt. Und Lustbefriedigung. Selbstverständlich. Konsum ist auch ein Ausweg aus Unfreiheit. Und Marie Antoinette, das ist einer der zentralen Punkte dieses Films, war ihr Leben lang unfrei: Als Tochter, als Pinzessin und Königin. So wird "Marie Antoinette" zu einer gnadenlosen Feier des Hedonismus, zur Feier einer anderen, womöglich viel utopischeren Gleichheit als der der Revolution. Einer Gleichheit, die bedeutet, dass alle Kuchen essen. Und Kaviar. Und Rolls Royce fahren. Und Pelz tragen. Einem Gegenmodell zur Priesterherrschaft der Sozialpartnerschafts-Ästheten.* (R. Suchsland)

Auch ist der Film *nicht sehr plotig* - nun, mein Leben ist auch nicht sehr plotig...

(Witzige Randglosse: der Herr Suchsland musste sich für seinen Artikel auch noch rechtfertigen)

Dann hat der Film noch einige schöne Verrisse kassiert, u.a. als Film des Monats in der November-Konkret (einen alberneren Film hat M. Hermes lange nicht gesehen).

Auch to watch ist natürlich *Borat* - Pflichtprogramm für jeden Sacha Baron Cohen-Fan.


np: *Less than Zero* - eine sehenswerte Ellis-Verfilmung, auf die ich durch Zufall in der Videothek meines Vertrauens stiess

Friday, November 03, 2006

Neoexistenzialismus III

*Um Brot wird gebettelt. Getötet wird für Status und Macht.* (Gunnar Heinsohn)

Der Gunnar Heinsohn vertritt eine interessante These (Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen): Für Kriege und innergesellschaftliche Konflikte sind überschüssige männliche Twentysomethings verantwortlich. Es geht um Positionen und Positiönchen, um Anerkennung, nicht erst seitdem der Begriff der Aufmerksamkeitsgesellschaft geprägt wurde. (Wie war das 68, wie ist doch gleich die Altersstruktur in den französischen Vorstädten, wie funktionieren nichtmenschliche Überlebensgemeinschaften ohne Expansionsmöglichkeiten?) Das das Ganze einen sexuellen Aspekt hat, schliesst die These mit ein - in einer Erben- und Geldwirtschaft ist eben nicht der Vitalste der für die Reproduktion Attraktivste.

Kürzlich durfte er diese These auch in einer der interessanteren Sendungen des Philosophischen Quartetts verteidigen (was nicht ohne Seitenhiebe auf die europäische Palästinenserpolitik auskam :) - leider immernoch nicht online (habs zumindest nicht gefunden), das ZDF stellt als Rechtfertigung für die geplante Gebührenerhebung für Onlineinhalte lieber aufklärerische Produktionen wie die Daily-Soap *Julia - Wege ins Glück* oder Interviews mit Thomas Gottschalk ins Netz.

Wie Sloterdijk (wie peinlich muss man btw sein, eine Brille so zu tragen, dass man näselt?) in der Sendung feststellte, wer mit Komplexität auf Kriegsfuss steht, könnte geneigt sein, hier eine reduktionistische Theorie zu erkennen, und Safranski: das Erschreckende wäre, diese These sei so plausibel - nun ja, Humanoide sind halt nicht annähernd das, wofür sie sich halten.

Klar, solche Thesen haben keinen Alleserklärungsanspruch, aber das weiss eh jeder nicht-mechanistisch Denkende.

np: the Foresaken Odes Conglomerate - tonal tutorial ... (let´s call it abstract ambient, maybe)

Thursday, November 02, 2006

ego is muss!

Oder: Seh ich eigentlich aus wie der letzte Vollhonk oder das potentielle Opfer oder sieht man mir meine ererbte (bzw. ansozialisierte) soziale Ader an?

Heute auf dem Hamburger Hauptbahnhof bat mich ein sozial Degenerierter um fünfzig Cent. Gut, er schien sein gesamtes verfügbares Haushaltseinkommen (um es mal volkswirtschaftlich auszudrücken) aus dieser Art von gesellschaftlicher Umverteilung zu beziehen, aber ich war der einzige in meinem sichtbaren Umfeld, den er ansprach. (Ich erwähne das hier mal, da mir sowas ziemlich häufig passiert.)

Naja, hab sie ihm gegeben, obwohl ich echt nur noch knapp nen Euro bei mir hatte, und der Coffee to Go sich damit erledigt hatte.

Hab ich das jetzt gemacht, da ich mich jetzt besser fühle, als wenn ich ihm nichts gegeben hätte?


np: llips - it all ends where it begins